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Moviekritik: Spider-Man: Far From Home
Bildquelle: 
© Sony Pictures Releasing Switzerland GmbH

Man ist versucht zu fragen, was auf ein Monument wie «Endgame» überhaupt noch folgen kann. Doch «Far From Home», der zweite Film mit Spider-Man in der Hauptrolle, ist alles andere als das Pfefferminzblatt am Ende eines spätrömischen Banketts. Nicht Endgame, sondern dieser Film markiert den Abschluss des MCU wie wir es kennen. Dabei verhandelt der Streifen viele narrative Konsequenzen, die das vierte Avengers-Abenteuer nach sich zog. Deshalb gilt striktes Trailer-Verbot für all jene, die Endgame noch vor sich haben. 

 

So ist es nicht leicht, auf die Handlung einzugehen, ohne Dinge auszuplaudern. Beginnen wir daher mit der Kooperation zwischen Columbia Pictures von Sony und Marvel Studios. Mit eiskaltem Schaudern erinnern wir uns noch an «The Amazing Spider-Man 2» von Kultautor Alex Kurtzman, dem alten Franchise-Vernichter, der unlängst die Wiederauferstehung von TV-Star Trek buchstäblich in ein Schwarzes Loch steuerte. Der Film kam so schlecht an, dass eine dritte Ausgabe innerhalb der Amazing-Reihe verworfen wurde. Als Marvel-Vordenker Kevin Feige daraufhin Columbia Pictures bat, ihm Spider-Man für sein MCU auszuleihen, stiess er auf offene Ohren. Columbia Pictures würde dabei wieder lernen, wie man taugliche Superheldenfilme dreht und die Spinne würde endlich ihren rechtmässigen Platz inmitten der Avengers einnehmen. 

 

Der erste Einsatz der Spinne in «Civil War» sowie ihr erster eigenständiger Film «Homecoming» wurden hauptsächlich von Marvel orchestriert, während Sony die Vermarktung übernahm. Dabei wurden geradezu preisverdächtig hässliche Kinoplakate geliefert. In der Fortsetzung nahm nun Columbia Pictures spürbar mehr Einfluss auf den kreativen Prozess. Allen voran Amy Pascal, die einst den Deal mit Feige besiegelte, und die mit Pascal Pictures eine eigene Produktionsfirma betreibt. Leider wirkt der Film tatsächlich so, als hätten zwei Studios mit den gleichen Darstellern und unterschiedlichen Drehbüchern zwei eigene Filme gedreht, die hinterher zusammengeschnitten wurden.

 

Nach Selfmademan kommt Selfie-Man

 

Da wären zunächst mal die überzeichneten Gegenspieler, die an dunkelste Kurtzman-Momente erinnern. Ein arger Kontrast zu Michael Keatons grandiosem Bösewicht in «Homecoming». Der brachiale CGI-Gigantismus und das seichte Generikum, die viele Sony-Filme kennzeichnen, bluten leider häufig ins Erlebnis. Ganz besonders an manchen Stellen des Finales. Stichwort Brücke. Dennoch ist es Marvel gelungen, ein packendes Action-Spektakel zu basteln, dessen Handlung nicht selten positiv überrascht und viele Rückbesinnungen an den Urknall des MCU bietet. Weniger überlastet mit Anspielungen wie Endgame, und darum eine schöne Werkschau. Vor allem aber bietet er mehr Rewatchability als der Vorgänger. Dafür sorgen viele Schauplätze auf dem alten Kontinent. Natürlich schwingt sich die Spinne auch diesmal durch die Häuserschluchten von New York, doch neu schiesst sie dabei Selfies.  

 

«Far From Home» bietet zeitgleich Aufbruchsstimmung und Abschiednahme. Deshalb unbedingt sitzenbleiben, bis der Abspann vorüber ist. Erst dann eröffnet sich die volle Tiefe der Handlung.

 

  • Spider-Man: Far From Home (USA 2019)
  • Regie: Jon Watts 
  • Darsteller: Tom Holland, Jake Gyllenhaal, Samuel L. Jackson, John Favreau, Zendaya u.v.a. 
  • Laufzeit: 129 Minuten
  • Kinostart Deutschschweiz: 3. Juli 2019

 

Mike Mateescu / Fr, 05. Jul 2019